KI in der Zeitarbeit?
Chancen und Herausforderungen neuer Technologien –
7 Fragen an Aram Azimi
von Alexandra Klein
Die Themen künstliche Intelligenz (KI) und Digitalisierung sind spätestens seit ChatGTP aus der öffentlichen Diskussion kaum mehr weg zu denken und auch in der Personaldienstleistung halten immer mehr smarte digitale Lösungen Einzug. iGZ und BAP haben bereits reagiert und nach dem „INNOLAB“ Anfang des Jahres eine Online Masterclass ins Leben gerufen. In diesen Webinaren geht es regelmäßig um Chancen und Ideen zum Thema KI in der Arbeitswelt allgemein und in der Zeitarbeit im Besonderen. Aber auch mögliche Herausforderungen werden immer wieder thematisiert.Gefragter Speaker bereits in den Sessions 1 und 3 war Aram Azimi von der Firma I.K. Hofmann.
Azimi, seines Zeichens Master in Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Innovation und Entrepreneurship, ist Spezialist für Personaldienstleistung und Erwachsenenbildung, bringt Erfahrung als Start-up Gründer in der Personalbranche mit und ist in dem Nürnberger Unternehmen als Innovationsmanager tätig. Zudem steht er kurz vor dem Abschluss seiner Weiterbildung zum KI-Manager, was seiner Leidenschaft für Innovationen und Technologien natürlich sehr entgegen kommt.
Wir hatten die Gelegenheit, mit ihm über KI, neuartige Recruitingmethoden und die vielfältigen Veränderungen zu sprechen, die derzeit in aller Munde sind.
Enormes Innovationspotential
Alexandra Klein
Im Rahmen der iGZ-Masterclass zum Thema KI hast Du kürzlich einige Möglichkeiten aufgezeigt, die KI unserer Branche bieten kann. Für diejenigen unter uns, die sich da noch nicht so viel drunter vorstellen können – was ist KI und was macht diese künstliche Intelligenz denn für die Personaldienstleistung interessant?
Aram Azimi
KI ist ein Gebiet der Informatik, das darauf abzielt, Maschinen oder Software dazu zu bringen, Aufgaben auszuführen, die normalerweise menschliches Denken erfordern. Das klingt vielleicht kompliziert, ist aber im Grunde ganz einfach. Wenn Du ein Smartphone hast und schonmal den Sprachassistenten genutzt hast, hast Du schon mit KI interagiert.
In der ersten Session unserer Masterclass haben wir uns das System von „ChatGTP“ genauer angesehen. Das ist eine KI, die auf Textverständnis und Texterzeugung spezialisiert ist. Es kann zum Beispiel in einem Bewerbungsprozess eingesetzt werden, um bei der Erstellung von fachspezifischen Fragen zu unterstützen und den Recruitern so mehr Zeit für andere Aufgaben geben. Es kann auch genutzt werden, um automatisch Jobbeschreibungen zu erstellen oder zu aktualisieren. Die Anwendungsfälle sind sehr vielfältig und ich kann jedem nur raten, sich spielerisch dem Thema anzunehmen.
In der dritten Session haben wir über eine spezielle KI-Applikation gesprochen, die wir in den USA einsetzen und die uns massiv beim Recruiting unterstützt.
Klein
Das klingt spannend. In welchen Bereichen der Personaldienstleistungsbranche siehst Du denn das größte Innovationspotential in den nächsten Jahren?
Azimi
Wenn wir über die Personaldienstleistungsbranche sprechen, denken viele Menschen an Personalvermittler, die Lebensläufe sichten und Interviews führen. Doch die Branche entwickelt sich rasant weiter und steht vor spannenden Neuerungen.
Eines der großen Themen ist die Künstliche Intelligenz (KI). Sie kann helfen, den Prozess der Jobsuche und der Jobvergabe einfacher und schneller zu gestalten. Stell Dir vor, Du hast eine Software, die in Sekunden Hunderte von Lebensläufen durchsuchen und die am besten geeigneten Kandidaten für eine bestimmte Stelle herausfiltern kann. Das ist keine Science-Fiction, sondern wird schon heute in einigen Unternehmen umgesetzt.
Ein weiterer Bereich, in dem ich großes Potential sehe, ist die Vorhersage von Trends in der Arbeitswelt. Wir haben heute Zugang zu so vielen Daten wie nie zuvor. Diese Daten können wir nutzen, um besser zu verstehen, welche Fähigkeiten in Zukunft gefragt sein werden, wann Unternehmen wahrscheinlich neue Mitarbeiter einstellen möchten und welche Jobs in den nächsten Jahren vielleicht weniger gefragt sein könnten.
Schließlich wird auch die Art und Weise, wie wir in der Personaldienstleistungsbranche arbeiten sich weiter verändern. Viele der täglichen Aufgaben, die wir heute manuell erledigen, könnten in der Zukunft automatisiert werden. Das kann uns helfen, effizienter zu arbeiten und mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge zu haben, wie zum Beispiel das persönliche Gespräch mit Kandidaten und Kunden.
Zusammenfassen würde ich es so:
Die Personaldienstleistungsbranche ist in einer Phase des Wandels und der Innovation. Es wird spannend sein, zu sehen, wie diese Entwicklungen die Branche in den nächsten Jahren verändern werden.
Nimmt die KI uns bald alle Jobs weg? Und wer ist Jamie the Recruiter?
Klein
Du hast in der Masterclass unter anderem darauf hingewiesen, dass Mensch und Maschine schon seit Jahrhunderten erfolgreich zusammenarbeiten – wird sich das ändern? Überspitzt gefragt: ist es ein „Entweder Mensch ODER Maschine“ und „nehmen uns die Maschinen jetzt dann bald alle Jobs weg“?
Azimi
Die Frage, ob Maschinen uns die Jobs wegnehmen, ist eine, die oft gestellt wird, besonders in Zeiten großer technologischer Veränderungen. Aber um es kurz zu machen: Nein. Maschinen werden uns nicht alle Jobs wegnehmen. Sie werden die Art und Weise, wie wir arbeiten verändern, aber das haben sie immer schon getan.
Die Geschichte hat gezeigt, dass Mensch und Maschine am besten zusammenarbeiten. Nehmen wir das Beispiel der Industrialisierung. Maschinen haben viele manuelle Aufgaben übernommen, aber das hat nicht dazu geführt, dass alle Menschen arbeitslos wurden. Stattdessen haben sich neue Arbeitsfelder und Jobs entwickelt. Ähnlich ist es mit der KI. KI wird wahrscheinlich einige Jobs überflüssig machen, insbesondere solche, die repetitive und vorhersagbare Aufgaben beinhalten. Aber sie wird auch viele neue Jobs schaffen und uns ermöglichen, uns auf die Aufgaben zu konzentrieren, die Maschinen nicht übernehmen können. Dinge wie kreatives Denken, emotionale Intelligenz und zwischenmenschliche Fähigkeiten. Also statt von „Entweder Mensch ODER Maschine“ zu sprechen, sollten wir eher von „Mensch MIT Maschine“ reden. KI ist ein Werkzeug, das uns dabei helfen kann, effizienter und produktiver zu arbeiten, aber es wird uns nicht ersetzen. Es wird unsere Aufgabe sein, zu lernen, wie wir diese neuen Werkzeuge am besten nutzen und sie in unsere Arbeitsabläufe integrieren können.
Klein
Ihr setzt ja KI schon gezielt in eurem Unternehmen ein, insbesondere in den USA, wo die DSGVO euch nicht daran hindern kann. Für mich am Spannendsten: Wer ist „Jamie the Recruiter“ und kannst Du Dir vorstellen, dass er irgendwann auch DSGVO-konform in Deutschland agiert? Und in welchen Bereichen macht ihr sonst schon Erfahrungen mit künstlicher Intelligenz im Alltag? Nutzt ihr z.B. Chat GTP?
Azimi
„Jamie the Recruiter“ ist ein großartiges Beispiel für den Einsatz von KI in unserem Unternehmen. Jamie ist ein virtueller Assistent, der uns dabei hilft, unseren Bewerberpool zu verwalten. Er kann beispielsweise fehlende Informationen von Bewerbern einholen oder Termine für Interviews vereinbaren. Durch solche Aufgaben entlastet Jamie unsere menschlichen Recruiter, die so mehr Zeit für die wirklich wichtigen Teile der Arbeit haben, wie etwa die persönlichen Gespräche mit den Kandidaten. Aktuell nutzen wir „Jamie“ hauptsächlich in den USA, da es dort andere Datenschutzverordnungen gibt als hier in Deutschland. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass wir eine ähnliche Technologie in Zukunft auch hierzulande einsetzen werden. Natürlich müssen wir dabei die DSGVO berücksichtigen, aber ich bin zuversichtlich, dass wir Lösungen finden werden, die sowohl den Datenschutzanforderungen entsprechen als auch die Vorteile von KI nutzen.
Und ja – wir nutzen auch ChatGTP in einigen Bereichen, natürlich immer unter Beachtung der juristischen Empfehlungen. Insgesamt sind wir in unserem Unternehmen immer auf der Suche nach Möglichkeiten, wie wir KI einsetzen können, um unsere Prozesse zu verbessern und unseren Kunden einen noch besseren Service zu bieten. Aber dabei vergessen wir nie, dass die menschliche Komponente in unserem Geschäft unerlässlich ist und dass der Schutz von persönlichen Daten immer an erster Stelle stehen muss.
„Wir glauben, dass Innovation und Fortschritt durch Zusammenarbeit entstehen“
Klein
Schon seit einiger Zeit setzt sich I.K. Hofmann ja auch für neue Wege der Qualifizierung in der PDL ein – kannst Du hierzu vielleicht auch noch kurz was sagen? Wie können uns die neuen Technologien denn auch in diesem Bereich weiterbringen?
Azimi
Absolut, ich freue mich, dass Du das ansprichst. Wir sehen Technologie und KI nicht nur als Werkzeuge, die uns bei der Rekrutierung und Vermittlung von Personal helfen, sondern auch als Möglichkeiten, die Art und Weise zu verbessern, wie wir unsere Mitarbeiter fortbilden und qualifizieren. Ein Bereich, in dem Technologie und KI große Fortschritte ermöglichen, ist die Identifizierung von Qualifizierungsbedarfen. KI kann uns helfen, die Fähigkeiten unserer Mitarbeiter besser zu verstehen. Und zu analysieren, wo es Lücken gibt oder welche neuen Fähigkeiten in Zukunft benötigt werden könnten. So können wir gezielte, maßgeschneiderte Fortbildungen anbieten, die genau auf die Bedürfnisse unserer Mitarbeiter zugeschnitten sind. Aber auch die Art und Weise, wie wir lernen, kann durch Technologie verändert werden. Digitale Lernplattformen, Online-Kurse oder auch Virtual Reality können das Lernen flexibler und interaktiver machen. Sie ermöglichen es den Lernenden, in ihrem eigenen Tempo zu lernen, wann und wo sie wollen. Das kann die Lernerfahrung erheblich verbessern und dazu beitragen, dass die Lerninhalte besser verstanden und auch behalten werden. Und schließlich eröffnet das neue Qualifizierungschancengesetz auch interessante Fördermöglichkeiten. Mit diesem Gesetz wird die berufliche Weiterbildung von Beschäftigten gefördert, was gerade in Zeiten des technologischen Wandels enorm wichtig ist. So können wir sicherstellen, dass unsere Mitarbeiter die Fähigkeiten und Kenntnisse haben, die sie brauchen, um in einer immer stärker digitalisierten Arbeitswelt erfolgreich zu sein. Insgesamt glaube ich, dass Technologie und KI uns enorme Möglichkeiten bieten, die Art und Weise zu verbessern, wie wir unsere Mitarbeiter qualifizieren und fortbilden. Und ich freue mich darauf, diese Möglichkeiten weiter zu erkunden und zu nutzen.
Klein
Naheliegende und vielleicht auch schon oft gehörte Frage: sowohl im Bereich Qualifizierung als auch jetzt beim Thema künstliche Intelligenz: ihr seid Vorreiter in der Branche. Wieso teilt ihr euer Wissen? Es wäre doch ein Leichtes, euren Vorsprung zu nutzen und euch so noch mehr von der Konkurrenz abzuheben?
Azimi
Warum teilen wir unser Wissen? Weil wir glauben, dass Innovation und Fortschritt durch Zusammenarbeit entstehen. Das ist das Herzstück von Open Innovation und Co-Creation.
Bei Open Innovation öffnen wir unser Unternehmen für Ideen und Wissen von außen. Es geht nicht darum, alles selbst zu erfinden, sondern die besten Ideen, egal woher sie kommen, zu nutzen und in unsere Arbeit zu integrieren. Dieser offene Ansatz beschleunigt Innovation und hilft uns, schnell auf neue Herausforderungen zu reagieren.
Co-Creation geht noch einen Schritt weiter. Hier arbeiten wir nicht nur mit externen Partnern zusammen, sondern gestalten Lösungen gemeinsam. Das bedeutet, dass wir unser Wissen und unsere Fähigkeiten bündeln und dabei Synergien nutzen. Durch Co-Creation schaffen wir Lösungen, die besser sind als alles, was wir allein erreichen könnten.
Und natürlich schauen wir auch auf den Wettbewerb. Besonders die großen Tech-Unternehmen sind immer in unserem Blickfeld. Sie haben die Ressourcen und das Know-How, um unsere Branche zu beeinflussen und eventuell sogar die Spielregeln zu ändern. Aber mit unserem Ansatz der Open Innovation und Co-Creation sind wir gut aufgestellt, um uns diesen Herausforderungen zu stellen. Denn indem wir unser Wissen teilen und gemeinsam an Lösungen arbeiten, können wir nicht nur mithalten, sondern auch unsere eigenen Spielregeln bestimmen.
Klein
Zum Abschluss vielleicht noch ein kleiner Tritt auf die Euphorie-Bremse: wo liegen Deiner Einschätzung nach die Grenzen oder vielleicht auch Gefahren im Umgang mit der KI – nicht nur, aber insbesondere in der PDL?
Azimi
Das ist ein sehr wichtiger Punkt. KI ist absolut spannend und kann uns eine Menge Arbeit abnehmen, aber sie ist kein Allheilmittel. Eine KI ist nur so gut, wie die Daten, mit denen sie gefüttert wird. Und da können sich schonmal Fehler einschleichen. Stell Dir vor, Du gibst der KI verzerrte oder falsche Daten – dann spuckt sie Dir am Ende auch verzerrte oder falsche Ergebnisse aus. Garbage in, garbage out, wie man so schön sagt. Bias und Diskriminierung sind wirklich ernsthafte Bedenken. Wenn diese Daten Vorurteile enthalten – und das tun sie oft, weil sie aus einer unvollkommenen Welt stammen – dann wird die KI diese Vorurteile übernehmen und sogar verstärken. Zum Beispiel könnte eine KI, die für die Vorauswahl von Bewerbungen trainiert wird, Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Alter oder Herkunft weitergeben, wenn die zugrunde liegenden Daten diese Vorurteile enthalten. Das ist ein wirklich ernsthaftes Problem und es ist eine der größten Herausforderungen im Umgang mit KI in der Personalbranche.
Aram Azimi ist Innovationsmanager und Experte für künstliche Intelligenz im Bereich Personaldienstleistung.
Kontakt:
https://www.linkedin.com/in/aram-a-6b3878205/
Es ist daher unerlässlich, dass wir uns bewusst sind, dass solche Verzerrungen existieren und dass wir Maßnahmen ergreifen, um sie zu bekämpfen. Das kann bedeuten, dass wir sicherstellen, dass unsere Datensätze vielfältig und repräsentativ sind, oder dass wir unsere KI-Modelle sorgfältig überprüfen und anpassen, um Vorurteile zu beseitigen. Egal, wie fortschrittlich die KI-Systeme sind, die menschliche Überprüfung und Entscheidungsfindung bleiben unerlässlich.
Und dann ist da noch die Sache mit dem Datenschutz und den rechtlichen Rahmenbedingungen. Klar, in den USA können wir vielleicht ein bisschen freier agieren als hier in Deutschland. Aber auch da gibt es Grenzen und wir müssen darauf achten, dass wir uns an die Spielregeln halten. Bei aller Euphorie für neue Technologie dürfen wir auch die rechtlichen und ethischen Aspekte nicht vergessen. Und ganz ehrlich: auch die beste KI kann die menschliche Intuition und das Einfühlungsvermögen nicht ersetzen. In unserer Branche geht es schließlich um Menschen und nicht nur um Zahlen und Daten. Also selbst wenn wir die Arbeit mit der KI weiter vorantreiben, wird es immer eine Rolle für uns Menschen geben. Wir sind und bleiben diejenigen, die am Ende die Entscheidungen treffen und die Verantwortung tragen.
Klein
Wow, Aram – vielen herzlichen Dank für Deine Zeit und einen Einblick in dieses spannende Thema.
Azimi
Ich danke auch für dieses interessante Gespräch und die Möglichkeit, einige der Fragen zu KI in der Personalbranche mit Dir zu diskutieren. Es ist wirklich ein spannendes Thema und ich freue mich darauf, es weiter zu erforschen.
Für alle, die mehr wissen möchten oder sich über spezifische Anwendungsfälle von KI in ihrem Unternehmen austauschen möchten, bin ich immer für ein Gespräch offen. Es ist wichtig, dass wir diese Themen gemeinsam angehen, um Innovation in unserer Branche voranzutreiben und gleichzeitig sicherzustellen, dass wir verantwortungsbewusst und ethisch handeln.
Also traut euch, fragt nach, diskutiert mit. Ich freue mich auf viele spannende Begegnungen und Gespräche.
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