Geschichte der Zeitarbeit

von Eckhard Reiser

Zeitarbeit als Faktor

Als feste Größe auf dem Arbeitsmarkt ist Zeitarbeit zu einem unverzichtbaren Flexibilitätsfaktor der Wirtschaft geworden. Weshalb wird sie trotzdem noch häufig auf das Abdecken von Auftragsspitzen reduziert? Als nur kurzfristige Kapazitätsanpassungen werden die vielfältigen Anforderungen von Kunden und dem breiten Angebotsportfolio von Zeitarbeitsbetrieben schon lange nicht mehr gerecht.

„Zeitarbeit ist nicht bloß ein arbeitsmarktpolititsches Flexibilitätsinstrument, sondern eine Branche, die in Zeiten paralleler Strukturumbrüche – Stichworte Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demografie – Unternehmen aus den unterschiedlichsten Bereichen und Marktgegebenheiten ihre Expertise im Personalmanagement zur Verfügung stellen kann“, betont der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ): „Auch für Arbeitnehmer erfüllt die Zeitarbeit vielfältige Funktionen. Nach wie vor bieten Zeitarbeitsbetriebe Menschen die Chance, Arbeitslosigkeit zu überwinden und Berufserfahrung zu sammeln.“

Zeitarbeit historisch

Wie kam es zu diesem alternativen Arbeitsmodell und weshalb sind Begriffe wie Leiharbeit oder Leasing nicht korrekt?

Revolution der Arbeit

Mit der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt sich die Arbeitswelt zu wandeln. Handwerker und Bauern ziehen zu Hundertausenden in die Städte, um in den neuen Fabriken Arbeit zu finden.

Umwälzungen, wie die nach Henry Ford und Frederick Winslow Taylor benannten Fordismus und Taylorismus halten zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Betrieben Einzug: in einzelne Schritte zerlegt werden die Fertigungsvorgänge am Fließband abgearbeitet. Gesteigert wird damit die Produktivität, die Arbeit wird verdichtet und beschleunigt.

Dieser Wandel der Arbeit wird von tiefgreifenden Veränderungen der Wirtschaftsstruktur begleitet – der Arbeitsmarktbeziehungen und der Lebenswirklichkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Von der Arbeit zur Zeitarbeit

Als namentlich erste Zeitarbeitsfirma gilt die US-Amerikanische Firma Manpower Inc., zwei Anwälte im US-Bundesstaat Milwaukee suchten 1948 vergeblich Ersatz für eine erkrankte Sekretärin – dabei erkannten sie, welches Potenzial die Vermittlung von Ersatzarbeitern bei Personalengpässen hat.

In Europa werden 1956 die ersten Büros für Zeitarbeit in Paris und London eröffnet, ein Schweizer Unternehmen eröffnet 1962 eine Niederlassung in Hamburg.

Das deutsche Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe reget 1967 in einem Musterprozess die Personalüberlassung: Die Arbeitnehmerüberlassung ist grundsätzlich mit dem Recht der freien Berufswahl vereinbar.

Neue Rahmenbedingungen

Der erste flächendeckende Tarifvertrag mit Modellcharakter für die Branche wird 2003 zwischen IGZ und DGB verhandelt. Mit diesem Abkommen treten ab 1.1.2004 neue Arbeits- und Entlohnungsbedingungen in Kraft – auch laut der Gewerkschaften eine verlässliche und sachgerechte Grundlage für die Weiterentwicklung der Zeitarbeit zu einer normalen Tarifbranche.

Die Begrenzung der Höchstdauer für die Arbeitnehmerüberlassung wird aufgehoben – das Synchronisationsverbot entfällt und die Wiedereinstellungssperre.

Mit dem Equal Treatment wird gesetzlich die Gleichbehandlungspflicht der Zeitarbeitnehmer mit den vergleichbaren Stammbeschäftigten im Kundenbetrieb eingeführt – einschließlich sämtlicher wesentlicher Arbeitsbedingungen, inklusive des Arbeitsentgelts Equal Pay.

Das Europäische Parlament verabschiedet am 22.10.2008 die EU-Richtline für Zeitarbeit, die zahlreiche Festlegungen, Begriffsbestimmungen und Regelungen beinhaltet – es soll eine gleiche Entlohnung und gleiche Arbeitsbedingungen für Zeit- und Stammmitarbeiter eines Unternehmens garantieren.

Zeitarbeit statt Leiharbeit

Der iGZ spricht grundsätzlich von Zeitarbeit, denn der Begriff der Leiharbeit ist juristisch unzutreffend: „Leihe bezeichnet nach § 598 BGB den Vorgang, Gegenstände über einen gewissen Zeitraum unentgeltlich an jemand anderen zu dessen Nutzung abzugeben. Menschen sollten jedoch nicht zu Leihobjekten degradiert werden. Das wird Zeitarbeitnehmern nicht gerecht, da sie wie andere Beschäftigte in Unternehmen auch für den Erfolg ihres Arbeitgebers verantwortlich sind.“ Gleiches gilt „für den Begriff Leasing-Angestellte oder Leasing-Kräfte in den Medien. Vor allem in Bezug auf die Pflegebranche. Der aus den USA stammende Begriff beschreibt das Vermieten von Wirtschaftsgütern, ohne dass das Gut als Eigentum erworben wird. In der Zeitarbeit arbeiten hingegen Menschen. Deswegen können sie auch kein Eigentum eines Leasing-Gebers sein oder gar zum Ablauf des Vertrags an einen Dritten verkauft werden.“

Flexibel und attraktiv

Insgesamt gewinnt die individuelle Ausgestaltung des Arbeitslebens an Bedeutung – auch neue Bedürfnisse rücken zunehmend in den Vordergrund. „Projektbasierte Arbeit und der Aufbau von Netzwerken werden wichtiger. Zeitarbeitsbetriebe, die ein Mehr an Flexibilität und Work-Life-Balance ermöglichen, sind daher vor allem für jüngere Menschen attraktiv. Sie wollen ihr Arbeitsleben stärker selbst bestimmen und mehr Eigenverantwortung übernehmen. Hier bietet die Zeitarbeitsbranche viele Ansatzpunkte und das sozialversicherungspflichtig sowie tariflich abgesichert“, führt dazu der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. aus.

Diskutieren Sie mit

Wir freuen uns über Ihre Kommentare, Meinungen und Ihr Feedback an:

job-blog@psstrategie.de

Der Autor

Lesen Sie auch:

Erfolgreich zum neuen Job

Mal klappt es, mal klappt es nicht mit einer Bewerbung. Und woran es gelegen hat, wenn man nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird, weiß man meistens nicht.

Neuer Gesamtverband der Personaldienstleister

Die Mitgliedschaft in einem Interessenverband bietet viele Vorteile – im Sinne der Kunden und Mitarbeiter. Für die PS Personalservice GmbH, die bisher im iGZ bereits gut organisiert war, gibt es nun eine weitere positive Entwicklung.